Wo sich die Geister scheiden in einer öffentlichen Diskussion, da verlaufen auch oft die echten Bruchlinien in einer Gesellschaft. In Deutschland sind beispielsweise zum Thema Edward Snowden die Meinungen nicht gar so geteilt. Ganz anders in den USA, wo fest zementierte Grundüberzeugungen einander gegenüberstehen. Der Blick über den Großen Teich sollte aber nicht ablenken. Fehlt nicht auch hierzulande ein ernsthafter Diskurs?
Da, wo sich die Geister scheiden in einer öffentlichen Diskussion - da verlaufen auch oft die echten Bruchlinien in einer Gesellschaft. In Deutschland sind beispielsweise zum Thema Edward Snowden die Meinungen nicht gar so geteilt. Zwischen Empörung ("Bundesregierung, wir schämen uns, dass er nicht längst bei uns Asylant ist") und Gleichgültigkeit ("Was soll der ganze Lärm? Ist doch in Moskau gut aufgehoben") ist das Interesse insgesamt ziemlich abgekühlt. Die Bundesregierung scheint sich gar fürs Aussitzen entschieden zu haben.
Wenn aber Jon Evans (nach eigenem Bekunden 'novelist, journalist, and software engineer') als Kolumnist von TechCrunch einen offenen Brief zum Thema schreibt, gehen die Wogen in der US-amerikanischen Öffentlichkeit (oder was sich also solche geriert) hoch. Klar provoziert Evans ordentlich wenn er titelt: "Dear America, Would You Please Give Edward Snowden His Medal of Freedom Already?" Speziell, wenn er solche Sachen schreibt wie: Die größte Gefahr für den 'American way of life' sei Amerika selbst, nicht Al-Quaeda und Konsorten. In Deutschland bekäme er da von den meisten wohl nur ein müdes Nicken. Ob er aber mit der Heftigkeit der Reaktionen unter seinen Landsleuten gerechnet hat?
Na ja, vielleicht hat er ja AUF diese Heftigkeit gerechnet. Jedenfalls ist es wirklich aufschlußreich, die mittlerweile recht umfangreichen Kommentare (und Kommentare der Kommentare) hinter Evans klugem kleinen Aufsatz anzuschauen. Mindestens sei Snowden ein Schauspieler, heißt es da, wahrscheinlich aber Schlimmeres: "He is a traitor who violated the sacred trust that comes with the position he accepted" oder "HE`S HELPED TERRORISTS THAT WANT TO KILL US, WHAT IS WRONG WITH YOU PPL!" (alles in Großbuchstaben).
Es gibt genauso die Gegenstimmen, natürlich. Das liberale Amerika schweigt durchaus nicht. Nur leider hat es wenig Einfluss. Dabei wäre die Causa Snowden eine ausgezeichnete Gelegenheit für einen gesellschaftlichen Diskurs, an dessen Ende die USA sich klarer wären über sich selbst und ihr Bild in der Welt. Dann ließe sich darüber reden, wie künftig "America’s irrational, paranoid, xenophobic, massive overreaction" (Evans) vermieden werden könnte.
Inzwischen könnten wir vor der eigenen Tür kehren: Warum gibt ein Bundesinnenmister so locker den Ratschlag, Snowden solle doch schlicht zurück in die USA gehen? Warum so luschig-schlampig? Warum wird so wenig von verantwortlicher Seite nachgedacht, gern öffentlich? Warum denn kein Asyl für Edward Snowden? Vielleicht gibt es rechtliche Gründe, neben den offenkundig politischen? Vielleicht gäbe es ethische Fragen, die zuvor diskussionswürdig wären? Etwa von Recht und Unrecht? Oder ob tatsächlich der Zweck die Mittel heiligt?